Im Mit­tel­punkt des ge­mein­sa­men „Kleinen Ger­ma­nis­ten­ta­ges“ der Lan­des­ver­bän­de Bayern und Thü­rin­gen in Weimar am 21. und 22. Sep­tem­ber 2017 stand Goethes be­rühm­tes­tes Werk mit Blick auf seine deut­sche In­ter­pre­ta­ti­ons­ge­schich­te von der Wil­hel­mi­ni­schen Zeit über die Zeit der Dik­ta­tu­ren bis in die Moderne sowie die man­nig­fa­che Um­set­zung des Faust-Stoffes in Theater, Musik, bil­den­der Kunst und neuen Medien. Die zwei­tä­gi­ge Tagung bot einen an­re­gen­den Mix aus Vor­trä­gen, Work­shops und kul­tu­rel­ler Un­ter­hal­tung mit au­then­ti­scher Nähe zum Wohn- und Ar­beits­um­feld des Dich­ters Goethe und seiner be­rühm­ten Zeit­ge­nos­sen wie bei­spiels­wei­se Anna Amalia, Schil­ler, Wieland und Herder.

Als Haupt­re­fe­rent konnte Dr. Jochen Golz, Prä­si­dent der Goe­the­ge­sell­schaft, ge­won­nen werden. Sein Vortrag mit dem Titel „‚Faust‘ und das ‚Faus­ti­sche‘. Aspekte seiner In­ter­pre­ta­ti­on“ gab auf­schluss­rei­che Ein­sich­ten in seine Studien zur Ti­tel­fi­gur als Be­stand­teil eines na­tio­na­len Mythos. Über­zeu­gend wurde die po­li­ti­sche und wis­sen­schaft­li­che In­stru­men­ta­li­sie­rung der Faust-Figur unter dem Aspekt des „Faus­ti­schen“ in seiner po­si­ti­ven sowie ne­ga­ti­ven Be­set­zung mit Bezug auf re­li­giö­se Be­trach­tungs­wei­sen und die Frage des Fort­schritts­den­kens erörtert.

Dr. Sophie Borges, Klassik Stif­tung Weimar, stellte in ihrem Vortrag aus­führ­lich und mo­ti­vie­rend die Kon­zep­ti­on der Aus­stel­lung „Du bist Faust“, ein ge­mein­sa­mes Projekt der Kunst­hal­le München und des For­schungs­ver­bun­des Marbach Weimar Wol­fen­büt­tel, vor. Die Aus­stel­lung findet vom 23. Februar bis 29. Juli 2018 in der Kunst­hal­le München im Rahmen des Faust-Festivals München statt. Der Be­su­cher darf sich auf rund 150 Ex­po­na­te von De­lacroix über Murnau bis Nam June Paik freuen. Die Do­zen­tin verwies in ihrer Prä­sen­ta­ti­on auf ein­zel­ne Kunst­wer­ke und machte damit Lust auf mehr. Aus­stel­len und Ver­mit­teln von Li­te­ra­tur the­ma­ti­sier­te auch Dr. Elke Kollar von der Klassik Stif­tung Weimar in ihrem Beitrag. Sie zeigte Ansätze einer Li­te­ra­tur­ver­mitt­lung am au­ßer­un­ter­richt­li­chen Ort auf und ging  an­schau­lich auf die be­son­de­ren Zugänge zur Li­te­ra­tur am Lernort Weimar ein.

Nach der Mit­tags­pau­se fanden fünf par­al­lel lie­gen­de Work­shops statt, was die Workshop-Auswahl nicht leicht machte. Dr. Paul Kahl (Göt­tin­gen) hielt einen Im­puls­vor­trag zum Thema „Faust und Faust­bil­der“ mit an­schlie­ßen­dem Ge­spräch in den Dich­ter­zim­mern des Wei­ma­rer Schlos­ses. Im Fokus stand das auf­schluss­rei­che Wech­sel­ver­hält­nis zwi­schen aka­de­mi­scher Aus­ein­an­der­set­zung und sinn­lich er­leb­ba­ren Ge­schichts­räu­men. Dr. Silke Henke, Klassik Stif­tung Weimar, leitete einen Work­shop, der sich mit dem Nach­lass Goethes im Goethe-Schiller-Archiv Weimar be­schäf­tig­te. Dort wurden u.a. einige Ma­nu­skrip­te zu „Faust“ im Ori­gi­nal und in einer neuen di­gi­ta­len Edition vor­ge­stellt. Im Vodafone-Hörsaal des Stu­di­en­zen­trums der Anna Amalia Bi­blio­thek gab Dr. Carsten Rohde, Klassik Stif­tung Weimar, in­ter­es­san­te Ein­bli­cke in die um­fang­rei­che Faust­samm­lung von Gerhard Stumme (1871–1955) und Impulse für die Un­ter­richts­ar­beit am Bei­spiel un­ter­schied­li­cher Schauspieler-Darbietungen eines Text­aus­zugs aus der Szene „Nacht“. Kirsten Münch, Klassik Stif­tung Weimar, stellte im Work­shop – Dich­ter­zim­mer im Wei­ma­rer Stadt­schloss – vor Ort di­dak­ti­sche Ma­te­ria­li­en vor, mit denen Schü­le­rin­nen und Schüler Ge­dächt­nis­räu­me, zum Bei­spiel die Wand­ge­mäl­de im Goethe- und Schil­ler­zim­mer, „ent­rät­seln“ lernen können. Im Work­shop unter der Leitung von Anke Heß, Klassik Stif­tung Weimar, konnten sich die Teil­neh­mer über „Wei­mar­pe­dia“, ein Bil­dungs­pro­jekt für das selbst­stän­di­ge Lernen am Lernort Weimar in­for­mie­ren. Das Projekt bietet Schü­lern die Mög­lich­keit der Er­schlie­ßung und krea­ti­ven Ver­ar­bei­tung klas­si­scher Texte mit Hilfe mo­der­ner Medien.

Henning Hacke ge­stal­te­te das Spätnachmittag- und Abend­pro­gramm. Für seinen „Goe­the­spa­zier­gang in fünf Akten durch Weimar“ erntete er viel Beifall. Sowohl die schau­spie­le­ri­sche Leis­tung als ra­deln­der his­to­ri­scher Post­be­am­ter mit thea­tra­li­scher Un­ter­stüt­zung seiner Scherenschnitt-Figuren als auch die ge­lun­ge­ne Mi­schung aus An­ek­do­ten rund um Goethes Leben sowie au­then­ti­schen Texten aus dem Schrift­ver­kehr des Dich­ters be­geis­ter­ten die Zuhörer. Das alt­böh­mi­sche Pup­pen­spiel „Dr. Johann Faust“, im selbst­ge­bau­ten Fi­gu­ren­thea­ter kunst­fer­tig dar­ge­stellt, er­hei­ter­te am Abend sein Pu­bli­kum und ließ den Tag an­ge­nehm ausklingen.

Ein Hö­he­punkt am Vor­mit­tag des zweiten Tages war die Führung durch die Anna Amalia Bi­blio­thek. Im An­schluss konnten die Ein­rich­tun­gen der Klassik Stif­tung nach in­di­vi­du­el­ler Auswahl besucht werden. Für die Teil­neh­mer der Tagung erhob die Klassik Stif­tung Weimar an diesem Tag keine Eintrittskosten.

An dieser Stelle möchte ich mich bei Manuela Met­scher, Re­fe­ren­tin Deutsch am Thillm Bad Berka, bei Dr. Elke Kollar, Klassik Stif­tung Weimar, und bei Kerstin Sterz, Goe­the­ge­sell­schaft Gotha, ganz herz­lich für die tat­kräf­ti­ge Un­ter­stüt­zung bei der Or­ga­ni­sa­ti­on dieses Ger­ma­nis­ten­ta­ges be­dan­ken. Ebenso herz­lich bedanke ich mich für die ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit bei Dr. Anke Em­min­ger und Beate Bott vom baye­ri­schen Fachverband.

Barbara Conrad (Vor­sit­zen­de des Lan­des­ver­bands Thüringen)