Die Vorstandsgruppe des Fachverbands Deutsch Baden-Württemberg hat die Diskussion über die Eignung von Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“ als Schwerpunktlektüre auf der Oberstufe verfolgt. Wir haben uns entschlossen, dazu eine Positionierung einzunehmen und ein Statement abzugeben. Wir sprechen uns für eine Beibehaltung des Romans als Schwerpunktlektüre für die ursprünglich vorgesehene Dauer aus.
Mit Verwunderung und Erstaunen haben wir den Verlauf der Diskussion über die Eignung oder Nicht-Eignung von Wolfgang Koeppens Roman „Tauben im Gras“ als Schwerpunktlektüre auf der Oberstufe der beruflichen Gymnasien verfolgt. Wir haben uns entschlossen, hierzu eine Positionierung einzunehmen und ein Statement abzugeben.
Die Auswahl von Schwerpunktthemenlektüren erfolgt nach ausführlicher Diskussion in einer Auswahlkommission und nach Betrachtung aller Aspekte, die im Zusammenhang mit der Verwendung auch als Grundlagentext für Abituraufgaben in Frage kommen.
Dabei geht es sowohl um Fragen von literarischer Qualität und literaturgeschichtlich-zeithistorischer Relevanz wie auch um Fragen zu möglichen didaktischen Zugängen und Perspektiven, die einen heutigen Blick auf den Text und seine Aussage verbinden mit dem Bezug zur Entstehungszeit und zur Entstehungssituation des Textes.
Maßgabe einer Behandlung im Unterricht ist immer auch die Vermittlung einer kritischen Distanz zum Text und eine Betonung dessen, was im Begriff „kritisches Lesen“ zusammenfasst, in welcher Gesamtsituation ein Text zu sehen ist – historisch, in seinen Bezügen zu anderen Werken der Zeit, im Hinblick auf seine Vorläufer und die Einflüsse, die ihn mitgeprägt haben, im Hinblick auf seine Erstrezeption und seine Wirkungsgeschichte.
In diesem Gesamtkontext eingebettet ist dann auch zu sehen, welche sprachlichen und inhaltlichen Elemente des Textes besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und gegebenenfalls besondere „Reibungspunkte“ sind bei einer heutigen Sicht und Leseweise im Vergleich zu den Sicht- und Leseweisen seiner Entstehungszeit, der weiteren Rezeptionsgeschichte, respektive der Behandlung des Stoffes vor zwanzig Jahren.
Ein Protest gegen bestimmte im Text verwendete Wörter und ein an ihnen festgemachter Vorwurf, welcher Art auch immer, würde den ganzheitlich aufzufassenden Prozess „kritischen Lesens“ konterkarieren und eine verkürzte Sehweise auf diesen multiperspektivisch großartigen Roman darstellen. Erst wenn das Werk geistig-stilistisch-konzeptionell durchdrungen und aus seinem spezifischen Zeithorizont heraus verstanden wurde, sollten und können Leserinnen und Leser die Lektüre einordnen und zu eigenen bewertenden Urteilen gelangen.
Etliche Stimmen haben sich in Kommentaren und Beiträgen dafür ausgesprochen, an Koeppens Roman als Oberstufen-Abitur-Lektüre festzuhalten, und dies mit guten Argumenten.
Der Vorstand des Fachverbandes Deutsch Baden-Württemberg schließt sich diesen Argumenten an und plädiert mit Nachdruck dafür, den Roman weiter bis zum Ende des ursprünglich vorgesehenen Zeitrahmens als Schwerpunktlektüre beizubehalten.
Wir sind davon überzeugt, dass die Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer in den Schulen sehr gut in der Lage sind, den Roman im Sinne der oben genannten Gesichtspunkte und Maßgaben für den Umgang mit Literatur und ihrer Verwendung im Unterricht zu behandeln und die Schülerinnen und Schüler zu einem kritischen und differenzierten Verständnis des Textes anzuleiten.
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