von OStR Chris­ti­an Kramer (Caspar-Vischer-Gymnasium Kulmbach)

Mit der Ein­füh­rung der Qua­li­fi­ka­ti­ons­pha­se und dem ver­pflich­ten­den schrift­li­chen Abitur im Fach Deutsch ist schnell deut­lich ge­wor­den, dass der Un­ter­richt in den Deutsch­kur­sen – obwohl der Fach­lehr­plan Deutsch in vielen Punkten un­ver­än­dert ge­blie­ben ist – nicht einfach wie bisher durch­ge­führt werden kann. Es werden neue Un­ter­richts­kon­zep­te ver­langt, will man ihn für die Schüler er­folg­reich, ef­fi­zi­ent und in­ter­es­sant gestalten.

Zwei wich­ti­ge Ver­än­de­run­gen müssen hierbei ge­leis­tet werden:

1) Der sehr um­fang­rei­che Li­te­ra­tur­un­ter­richt – meist stark an die Un­ter­richts­kon­zep­te des alten Grund­kur­ses an­ge­lehnt – muss re­du­ziert werden, da das ge­for­der­te li­te­ra­tur­ge­schicht­li­che Wissen in allen bisher ge­hal­te­nen G8-Abituren eher gering war.

2) Die Schrei­ber­zie­hung muss einen deut­lich grö­ße­ren Raum in der Ober­stu­fe er­hal­ten. Wurden in der Tra­di­ti­on des alten Grund­kur­ses Übungs­auf­sät­ze eher milde ein­ge­for­dert und Schreib­übun­gen weit­ge­hend aus dem Un­ter­richt ver­bannt, muss beides in einem zeit­ge­mä­ßen Deutsch­un­ter­richt wieder mehr ein­ge­for­dert werden. Da alle Schüler ein schrift­li­ches Deutsch-Abitur schrei­ben müssen, sollte der schrift­li­che Sprach­ge­brauch einen deut­lich höheren Stel­len­wert besitzen.

Woher aber die Zeit nehmen? Will man in­ten­si­ve und zeit­auf­wen­di­ge Schreib­ein­hei­ten in den Deutsch­un­ter­richt der Ober­stu­fe in­te­grie­ren, muss der Li­te­ra­tur­un­ter­richt gerafft werden.

Ein Modell, wie Zeit gespart und zu­gleich trotz­dem ein hoch­wer­ti­ger Li­te­ra­tur­un­ter­richt ab­ge­hal­ten werden kann, wird seit dem Schul­jahr 2012/2013 am Caspar-Vischer-Gymnasium in Kulm­bach erprobt. Einige Epochen werden kom­pri­miert im Vor­le­sungs­be­trieb ver­mit­telt – eine „Modus 21-Maßnahme“, die auch der Zu­stim­mung des El­tern­bei­ra­tes bedarf. Pro Se­mes­ter findet eine Vor­le­sungs­rei­he statt, die jeweils zwei Dop­pel­stun­den umfasst und vom ge­sam­ten Jahr­gang gehört wird. Im An­schluss an die Vor­le­sungs­rei­he wird eine Steg­reif­auf­ga­be ge­schrie­ben. Die zwei Vor­le­sungs­dop­pel­stun­den werden von zwei Lehrern be­strit­ten und es kann ent­we­der eine große Epoche auf zwei Stunden auf­ge­glie­dert oder zwei klei­ne­re Epochen nach­ein­an­der vor­ge­stellt werden.

An unserer Schule wird mo­men­tan fol­gen­des Vor­le­sungs­mo­dell praktiziert:

11/1:

  • Ro­man­tik I
  • Ro­man­tik II

11/2:

  • Vormärz / Junges Deutschland
  • Bie­der­mei­er

12/1:

  • Na­tu­ra­lis­mus
  • Li­te­ra­tur der Jahrhundertwende

12/2:

  • Li­te­ra­tur der BRD und DDR
  • Li­te­ra­tur der Postmoderne

In den Vor­le­sun­gen werden die zeit- und geis­tes­ge­schicht­li­chen Hin­ter­grün­de und die zen­tra­len Merk­ma­le einer Epoche anhand ex­em­pla­ri­scher Texte vor­ge­stellt. Um die Schüler nicht zu über­for­dern, kann noch nicht in allen Be­rei­chen ein uni­ver­si­tä­rer Stan­dard an­ge­legt werden. Die Vor­le­sung sollte auf 70 bis 80 Minuten kon­zi­piert sein, um ge­nü­gend Zeit für eine kleine Zwi­schen­pau­se und Fragen zu haben. Neben rein leh­rer­zen­trier­ten Vor­le­sungs­ein­hei­ten dürfen auch gerne die Schüler mit­ein­be­zo­gen werden. Als vor­teil­haft hat sich ein mo­ti­vie­ren­der und schü­ler­ak­ti­vie­ren­der Beginn er­wie­sen und auch klei­ne­re Fra­ge­ein­hei­ten zu einem Gemälde oder Text lockern auf und beugen einer zu schnel­len Er­mü­dung vor. Die Vor­le­sung muss anhand einer Powerpoint-Präsentation il­lus­triert werden. Als auf­merk­sam­keits­för­dernd hat sich auch der Einsatz anderer Medien, wie Gemälde oder Film­aus­schnit­te, er­wie­sen. Zudem müssen die Schüler vorab ein Vor­le­sungs­skript er­hal­ten. In diesem sollten die Struk­tur der Vor­le­sung und alle we­sent­li­chen Fach­be­grif­fe ent­hal­ten sein, aber noch ge­nü­gend Raum zum ei­gen­stän­di­gen Mit­schrei­ben gegeben werden. Auf diese Weise haben die Schüler eine auch für die Klausur- und Ab­itur­vor­be­rei­tung brauch­ba­re Mit­schrift. Die Vor­le­sun­gen geben einen ersten Ein­blick in eine Epoche. Dass dieses Bild dann im nach­fol­gen­den Literatur- und Schreib­un­ter­richt noch anhand wei­te­rer Text­bei­spie­le ver­tieft werden muss, ver­steht sich von selbst.

Die Vor­tei­le des Vor­le­sungs­mo­dells sind vielfältig:

1) Durch die kom­pri­mier­te Stoff­ver­mitt­lung schafft man ein Über­blicks­wis­sen zu zen­tra­len Epochen, welches für das schrift­li­che und ggf. auch das münd­li­che Abitur von hohem Wert ist. Dank der Skripte können die Schüler schnell und ef­fek­tiv Epo­chen­wis­sen wieder auffrischen.

2) Neben einer ef­fek­ti­ven Ab­itur­vor­be­rei­tung ist auch die ein­heit­li­che Ab­itur­vor­be­rei­tung von hohem Wert. Alle Schüler er­hal­ten trotz eines in­di­vi­du­el­len Kurs­un­ter­rich­tes einen glei­chen li­te­ra­tur­ge­schicht­li­chen Stan­dard. Dies dient der Ge­rech­tig­keit und ist auch bei un­vor­her­ge­se­he­nen Leh­rer­aus­fäl­len von großem Vorteil. Selbst wenn ein Kurs kurz vor dem Abitur von einer anderen Lehr­kraft über­nom­men werden muss, weiß man in puncto Li­te­ra­tur­ge­schich­te genau, was un­ter­rich­tet worden ist.

3) Im Un­ter­richt bleibt mehr Zeit für die Schrei­ber­zie­hung, da die kom­pri­mier­te Ver­mitt­lung li­te­ra­tur­ge­schicht­li­chen Wissens deut­lich Zeit spart. Pro Se­mes­ter gewinnt man durch die Vor­le­sun­gen ca. vier Doppelstunden.

4) Die Vor­le­sung bietet eine gute Ge­le­gen­heit für einen kleinen Leis­tungs­nach­weis. Die an­ge­kün­dig­te Steg­reif­auf­ga­be erhöht bei den Schü­lern die Ernst­haf­tig­keit für die Vor­le­sung und ist für den Lehrer eine ef­fek­ti­ve Leis­tungs­ab­fra­ge gerade in den zeit­lich sehr knappen Se­mes­tern 12/1 und 12/2.

5) Obwohl die Vor­le­sun­gen in der Erst­erstel­lung sehr zeit­auf­wen­dig sind, ist dieses Modell über die Jahre gesehen trotz­dem zeit­spa­rend. Be­din­gung hierfür ist al­ler­dings, dass einmal ent­wi­ckel­te Vor­le­sun­gen (di­gi­ta­les Vor­le­sungs­skript und PPP) an die Kol­le­gen der nächs­ten Jahr­gän­ge wei­ter­ge­ge­ben werden. So ent­ste­hen feste Vor­le­sungs­ein­hei­ten, die Jahr für Jahr wie­der­ver­wen­det werden können. Und für die Kol­le­gen der Erst­erstel­lung bleibt als kleiner Trost, dass sie bei vier Kursen pro Jahr­gang nur zwei von acht Vor­le­sun­gen selber halten müssen, also auch so gesehen über die zwei Jahre hinweg eine Ent­las­tung haben. Zudem kann das Vor­le­sungs­sys­tem na­tür­lich auch suk­zes­si­ve auf­ge­baut werden.

OStR Chris­ti­an Kramer, Jahr­gang 1974, un­ter­rich­tet nach dem Studium der Ger­ma­nis­tik und Ge­schich­te an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg seit 2007 am Caspar-Vischer-Gymnasium Kulm­bach. Seit 2011 hat er dort die Fach­be­treu­ung Deutsch inne. Er hält Fort­bil­dun­gen im Bereich Bil­dungs­stan­dards und Lern­auf­ga­ben, au­ßer­dem ist er seit 2015 Mit­ar­bei­ter beim Re­gio­nal­team Deutsch Oberfranken.