verfasst von Martina Schlemmer-Baade und Beate Bott, LV Bayern
Eine Lehrerfortbildung zur Sorge um die deutsche Sprache und ein Plädoyer für die Sprachen.
Der Sprecherrat des Fachverbandes Deutsch Bayern um Martina Schlemmer-Baade vom Kepler-Gymnasium Weiden und Beate Bott vom Anne-Frank-Gymnasium Erding lud in Zusammenarbeit mit Frau Claudia Reichmann von der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in der Oberpfalz interessierte Kolleginnen und Kollegen zu einem Videovortrag von Prof. Dr. Jürgen Trabant ein. Professor Trabant stellte nicht nur sein Buch Sprachdämmerung: Eine Verteidigung vor, sondern trat in ein lebhaftes Fachgespräch mit Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern aus Bayern und Fachverbänden anderer Bundesländer.
Der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant begann seinen Vortrag mit der Sprachphilosophie Wilhelm von Humboldts. Für Humboldt sei der Mensch nur Mensch durch Sprache und diese „Sprache das bildende Organ des Gedanken“. Das heißt, dass sprachliche Differenz auch eine andere „Ansicht“ von Welt widerspiegelt. Dabei unterscheidet er zwischen den verschiedenen „Weltansichten“, also den semantischen Strukturen in den verschiedenen Sprachen, und den „Weltanschauungen“ als Systeme von Überzeugungen, die hier nicht gemeint sind.
In Anlehnung an Humboldt versteht auch Trabant die Sprache als etwas, was über die reine Kommunikation hinausgeht. Trabant betont, wie Humboldt, die Auffassung, dass es kostbar sei, dass wir die Welt in unserer Sprache erfassen. Am Beispiel des Mythos von der Sprachverwirrung beim Turmbau von Babel zeigt er, dass diese Welterfassung in verschiedenen Sprachen auch als Strafe Gottes gesehen wurde. Genau wie Humboldt, der hier von „Mannigfaltigkeit“ spricht, sieht Trabant die verschiedenen Sprachen mit ihren verschiedenen Weltansichten jedoch als große Bereicherung. Humboldt und Leibniz, so Trabant, wiesen auch auf die Rolle der Sprachen als “Denkmäler des Menschengeschlechts“.
Trabant versäumt es dennoch nicht, denen Recht zu geben, die behaupten, dass diese Sprachenvielfalt gerade in Europa in der Tat ein kommunikatives Hindernis darstelle. Aus diesem Grunde werde wohl – sehr zum Bedauern von Trabant – gerade auch in der Fremdsprachendidaktik der Akzent zu sehr auf die „kommunikative Kompetenz“ gelegt, ohne eben zum Beispiel den Umgang mit Literatur, mit Poesie und mit dem Gesellschaftlichen, das mit der jeweiligen Sprache verbunden ist, ausreichend zu fördern.
Zur Überwindung dieser Sprachenvielfalt setze sich immer stärker das Englische als Verkehrssprache durch, das von ihm das „Globalesische“ genannt wird. Englisch werde ja nicht gelernt, um nach England zu reisen, sondern um mit möglichst vielen Menschen unterschiedlicher Sprachen kommunizieren zu können. Kinder würden immer früher mit dem Englischen konfrontiert, z.B. in englischsprachige Kindergärten gesteckt, um mit dieser Entwicklung Schritt halten zu können. Trabant sieht die heutige Dominanz des Englischen als Weltsprache einerseits als großen Vorteil. Sie sei jedoch auch eine Bedrohung des Deutschen, vor allem deswegen, weil immer mehr Bereiche vom Englischen okkupiert würden. Insbesondere in den Wissenschaften sei es auffällig, „dass die Wissenschaften ins Englische emigrieren“ und „das Deutsche aus den Wissenschaften hinausmarschiere“. Diese Entwicklung sei deswegen eine Bedrohung, weil dadurch insgesamt die Sprache verarme. Mit dem Begriff der „Sprachdämmerung“ meine er ausdrücklich nicht, dass die deutsche Sprache völlig verschwinden werde. Aber es schwächt sich eben doch die Möglichkeit, das Deutsche zu verwenden. Trabant geht auf aktuelle Strömungen ein, die ebenso zur „Sprachdämmerung“ beitragen: Er kritisiert eine „Besserwisserei“ einzelner Gruppen oder Menschen, die vorgeben wollen, wie etwas richtig gesehen und damit gesagt werden soll. Er plädiert für den bewussten Umgang mit der gesprochenen und geschriebenen deutschen Sprache und appelliert an den Zuhörerkreis der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer, im Unterricht diese Sorge um die Sprache zu entfalten.
Die anschließende Gesprächsrunde mit Professor Trabant zeigte deutlich das Engagement der Zuhörer, sich im Sinne der Sprachvielfalt für die „Pflege und Rettung“ der unterschiedlichen Sprachen einzusetzen. Das würde im Sinne des französischen Präsidenten Macron „in einem mehrsprachigen Europa eine einmalige Chance darstellen (…), denn jede Sprache decke eine besondere Ansicht des Universellen auf“.
Zoom-Gespräch mit Prof. Dr. Jürgen Trabant