Bericht von Angelika M. (Teilnehmerin) zur Fortbildungsveranstaltung des Landesverbands Sachsen im Fachverband Deutsch im DGV vom 12. Oktober 2013 in der Brecht-Weigel-Gedenkstätte Berlin
„Brecht hielt alles, was er geschaffen hatte, für ein Vorläufiges, im Entstehen Begriffenes. Er hörte denn auch begierig auf Vorschläge und Einwände und ging, wann immer Zweifel und Ratschlag ihm einleuchteten, sogleich daran, das Geschaffene zum tausendsten Male zu überarbeiten … Durch diese Arbeitsweise hat es Brecht erreicht, daß seine Dichtungen so durch und durch dynamisch wirken, sie zwingen den Empfänger, selber weiter zu arbeiten, sie reizen ihn, mit Brecht zu streiten, ihn anzuzweifeln, ihm zuzustimmen …“ (Lion Feuchtwanger, 1957. In: Leben und Werk im Bild, Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig und Weimar 1981, S. 271.)
Die schon zur Tradition gewordene literarische „Spurensuche“ des Landesverbands Sachsen führte im Oktober 2013 nach Berlin zu Bertolt Brecht. Mitglieder des Landesverbands Sachsen, verstärkt durch einige Schüler des Abendgymnasiums Dresden, fuhren am zeitigen Morgen des 12. Oktober 2013 nach Berlin. Frau Professor Ilse Nagelschmidt, Institut für Germanistik der Universität Leipzig, begleitete die Teilnehmer. In ihrem Vortrag – engagiert, mit hoher Sachkenntnis, anschaulich und sehr lebendig – kommentierte sie Brechts Schaffen, sodass das Interesse der Teilnehmer*innen, welches ohnehin schon sehr groß war, und die Vorfreude auf die Brecht-Weigel-Gedenkstätte in der Chausseestraße 125 noch mehr gesteigert wurde. Der Empfang durch Frau Dr. Monika Melchert, Akademie der Wissenschaften Berlin, war herzlich. Sie führte durch die Wohnräume Bertolt Brechts und seiner Frau Helene Weigel und bereicherte die bereits gehörte literaturwissenschaftliche Einführung.
Der Rundgang startete in der rund 3.000 Bücher fassenden Bibliothek. Hier begann Brecht, ein Frühaufsteher, den Tag mit einer Tasse Tee und einer Zigarre. In der Bibliothek – und nur dort – befanden sich noch zwei originale Designersessel aus seiner Emigrationszeit in Schweden. Der nächste Raum war sein Arbeitszimmer. Der Zigarrenrauch von Brecht war natürlich längst verflogen; dennoch: der Raum ahnte noch den rastlosen Geist des Künstlers. Helene Weigel stattete ihm dieses Zimmer mit Möbeln aus, sodass er unverzüglich mit seiner Arbeit beginnen konnte. Das Zimmer vereinte geschmackvoll aus unterschiedlichen Stilen stammendes Mobilar zu einer gediegenen Arbeitsatmosphäre. Brecht liebte es, an großen, runden Arbeitstischen Mitglieder seines Berliner Ensembles zu treffen und sich auszutauschen. An das Arbeitszimmer schloss sich sein Schlafzimmer an. Neben seinem Bett lagen noch die damals aktuellen Tageszeitungen. Nun führte der Rundgang in Helene Weigels Wintergarten. Sie ließ sich diesen allerdings erst nach dem Tode Brechts anbauen. Gleich daneben befindet sich ihr ehemaliges Schlafzimmer. Ihr Bett diente ihr unter anderem als „Regiestuhl“, wenn sie es im Krankheitsfall nicht verlassen konnte. Denn von hier aus dirigierte sie die Geschicke des Berliner Ensembles, hörte Sprechproben der Schauspieler, las Drehbücher, empfing Mitglieder dieses Berliner Theaters. Durch einen kleinen Flur erreichte man die Küche. Ein großer Herd und viele Kochbücher zeugen davon, dass Helene Weigel auch eine gute Köchin war und das Künstlerehepaar gern Bekannte und Freunde zum Essen einlud.
Ein weiterer Höhepunkt an diesem Tag war der Besuch des Dorotheenstädtischen Friedhofs, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gedenkstätte befindet. Hier fanden nicht nur Bertolt Brecht und Helene Weigel ihre letzte Ruhestätte, auch Anna Seghers, Christa Wolf, Johann Gottlieb Fichte, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Otto Sanders und Frank Beyer sind hier bestattet worden.
Auf der Rückfahrt vertiefte Frau Professor Nagelschmidt weitere Einblicke in das Leben und Werk Bertolt Brechts. So wurde es eine sehr erfolgreiche Fortbildungsveranstaltung und Brechts Vermächtnis „An die Nachgeborenen“ arbeitete auf diese Weise in den Köpfen der Exkursionsteilnehmer vermutlich noch lange weiter.
Ideen für Projekte der kommenden Jahre wurden auf der Heimfahrt geboren und machen neugierig. Die nächste Fahrt wird wieder nach Berlin führen – diesmal auf den Spuren von Christa Wolf.